Die Entlassung des Pressesprechers am Flughafen Berlin-Brandenburg GmbH (FBB) BER ist nur ein öffentliches Beispiel dafür, wie schlecht es zwischen Speaker und Top-Management laufen kann. Grund waren seinerzeit „unterschiedliche Vorstellungen in der Pressearbeit“.
Vorausgegangen war ein Interview im Branchenblatt „prmagazin“, in dem sich der Leiter der Unternehmenskommunikation mit markigen Sprüchen über seinen Chef, den FBB-Geschäftsführer Karsten Mühlenfeld, und die Pannen beim Bau des neuen Berliner Flughafens exponierte.
Die Berliner und Brandenburger hätten „ein Recht zu sehen, wo ihre Milliarden versenkt worden sind“. Und: „Kein Mensch, der nicht medikamentenabhängig ist, gibt Ihnen feste Garantien für diesen Flughafen“, hatte der Kommunikationsverantwortliche erklärt. Den Versuch seines Chefs Mühlenfeld, herauszufinden, wie bestimmte Dokumente an die Öffentlichkeit gelangt sind, hatte er kommentiert mit: „Das war der Punkt, an dem ich meinen Kopf auf die Tischplatte geschlagen habe.“ Ingenieure pflegten eine andere Sprache als Journalisten und Politiker, aber immerhin sei der Ingenieur Mühlenfeld „da absolut lern- und kritikfähig, das ist ein großer Vorteil.“
Wow! Über solche Aussagen kann man als Kommunikationsprofi nur den Kopf schütteln. Die flapsige Sprache ist einem Thema dieser Größenordnung nicht angemessen, der Inhalt nicht geeignet, das Ansehen des Krisenprojekts Berliner Flughafens und seiner Beteiligten, die ja ohnehin unter Dauerbeschuss stehen, zu befördern. Der Pressesprecher hat Schlagzeilen erzielt, seiner weiteren Karriere könnte dieser Auftritt eher schaden. Davon profitiert hat das „PR-Magazin“, das für einen halben Tag das Licht einer größeren Öffentlichkeit genoss.
Kann uns das auch passieren?
Wenn Sie Geschäftsführer sind, fragen Sie sich vielleicht: Hätte uns das auch passieren können? Gut, wenn Sie sich diese Frage stellen, denn sie ist der erste Schritt hin zum Ziel, solche Kommunikationspannen grundsätzlich zu vermeiden. Nachfolgend noch ein paar Tipps:
- Prüfen Sie, ob Sie in Ihrem Unternehmen klare Verantwortlichkeiten, Spielräume und Abgrenzungen zwischen Geschäftsführung und Unternehmenskommunikation geschaffen haben – um so wenig Raum wie möglich für „Missverständnisse“ und vermeintlich „unbeabsichtigte“ Kompetenz-überschreitungen zu lassen.
- Wie weit sollte der Spielraum des Pressesprechers gehen? Der Pressesprecher ist ausführendes Organ des Unternehmens, kein Entscheider. Unternehmenskommunikation ist idealerweise Teil der Unternehmensstrategie. Die Entscheidung über Inhalte und Kanäle ist Chefsache, die Kommunikationsabteilung hat die Aufgabe, diese Entscheidung optimal vorzubereiten. Keinesfalls hat sich der Pressesprecher ohne Abstimmung mit der Geschäftsführung zu sensiblen Unternehmensfragen zu äußern und Politik zu betreiben – es sei denn, das ist der Auftrag seines Unternehmens. Das setzt allerdings eine ausdrückliche Autorisierung dazu voraus, außerdem eine intensive Kenntnis von Zielen und Kultur des Unternehmens – und das Vertrauen der Geschäftsführung.
- Genügen Sie als Geschäftsführer Ihrer Informationspflicht? Der Pressesprecher ist der erste Ansprechpartner für die Medien, er ist der Repräsentant gegenüber wichtigen Multiplikatoren.
Deshalb ist es so wichtig, dass er genau gebrieft ist,
- ob sich das Unternehmen grundsätzlich in der Öffentlichkeit äußert,
- zu welchen Themen es aktiv kommuniziert,
- in welchem Kontext es auf Nachfrage Statements abgibt,
- zu welchen Themen es keine Angaben macht und warum und ob das ggf. auch kommuniziert wird (z.B. weil rechtliche Fragen sich noch in Klärung befinden – oder das schlicht nicht Ihre Baustelle ist).
Machen Sie bei nächster Gelegenheit die Probe aufs Exempel und prüfen Sie, ob Ihr Pressesprecher diese Fragen für sein Unternehmen eindeutig beantworten kann. Erhalten Sie fundierte Antworten, haben Sie entweder bereits einen guten Job gemacht oder einen personellen Glücksgriff getan.
Gerät Ihr Pressesprecher ins Stottern, sollten Sie über regelmäßige Jours fixes mit Ihrem Kommunikationsprofi nachdenken, mindestens einmal im Monat, wenn nicht pro Woche. Erstens stärkt dies das beiderseitige Vertrauensverhältnis. Zweitens befördert es bei Ihrem Pressesprecher das „Big Picture“, das er braucht, um souverän in Ihrem Sinne zu kommunizieren. Beides macht sich spätestens im Krisenfall bezahlt. Pflegen Sie einen kurzen Draht zu Ihren Gatekeepern – kein Herrschaftswissen.
- Sprachregelungen und Workflows: Ermitteln Sie die inhaltlich kritischen Punkte im Zusammenhang mit Ihrem Unternehmen, die für Journalisten oder Blogger interessant sein könnten und legen Sie dazu saubere Sprachregelungen fest. So vermeiden Sie Missverständnisse oder Ungenauigkeiten in der Kommunikation mit der Öffentlichkeit, die Raum für Interpretationen lassen. Dazu gehört auch, Krisenszenarien zu entwickeln und eine geeignete Kommunikationsstrategie festzulegen – inklusive von klaren Abstimmungsprozesse und Eskalationsstufen.
- Interne Öffentlichkeit: Geben Sie Ihrem Unternehmen und damit auch Ihren Mitarbeitern ein Regelwerk für den Umgang mit Presseanfragen. Hier kommt es vor allem darauf an, bereits definierte Workflows und Verantwortlichkeiten transparent unter den Mitarbeitern zu kommunizieren („Was tun, wenn die Presse bei mir anruft?“). Übrigens auch eine gute Gelegenheit zu überprüfen, ob Ihre Social Media-Leitlinien noch aktuell sind.
- Beziehen Sie Ihre Partner mit ein: Arbeiten Sie eng mit Lieferanten oder Dienstleistern zusammen, die über Insiderwissen verfügen? Dann stellen Sie sicher, dass keine Partei Aussagen im Zusammenhang mit Ihrem Unternehmen tätigt, die nicht vorher mit Ihnen abgestimmt wurden. Das gilt für alle Kommunikationskanäle, online wie offline.
- Bleiben Sie beratungswillig: Nutzen Sie die Expertise Ihres Pressesprechers und holen Sie aktiv seinen Rat ein. Warum sonst haben Sie ihn eingestellt? Chef und Pressesprecher können durchaus unterschiedlicher Meinung sein – ein professionelles Team hält das aus. Ihre Alarmglocken sollten allerdings läuten, wenn der Experte insistiert und Sie mit Ihrer Einschätzung diametral davon abweichen. Treffen Sie trotzdem eine anderslautende Entscheidung, kommunizieren Sie klar und transparent Ihre Gründe. Steigen Sie auch selbstkritisch ein ins Review, wenn sich hinterher herausstellt, dass Sie besser auf Ihren Pressesprecher gehört hätten.
- Treffen Sie eine Entscheidung darüber, ob der Pressesprecher seine eigene Position im Unternehmen grundsätzlich zum Gegenstand einer Berichterstattung machen darf oder nicht. Persönliche Eitelkeit zeugt bei Pressesprechern nicht von Professionalität. Sicher ist es nicht mehr zeitgemäß, Interviews wie die des BER-Pressesprechers heute grundsätzlich zu untersagen, aber Interviews sollten vorher mit der Geschäftsleitung abgestimmt sein. Das aktuelle Beispiel zeigt, wie permeabel heute die Grenzen zwischen Fach- und Wirtschaftspresse sein können und dass es keine closed shops mehr gibt.
Übrigens: Was der BER-Pressesprecher im Interview in der Sache vertreten hat, war absolut richtig. Er hat vollkommen Recht, wenn er für eine transparente, ehrliche Kommunikationsstrategie in Unternehmen plädiert. Das bedeutet allerdings nicht Transparenz und Ehrlichkeit um jeden Preis.